Radio frequency over glass

In Nordkirchen fängt die Zukunft an

Im Jahre 2015 kündigte die BBV Münsterland [1] in Nordkirchen (inkl. Capelle) und Ascheberg (inkl. Herbern) an, Glasfaser-Hausanschlüsse verlegen zu wollen.
Hierbei handele es sich um FTTH-Anschlüsse, was fiber-to-the-home und damit Glasfaser bis in die Wohnung bedeute.
Es wurden Vorverträge abgeschlossen und obwohl nicht die erwarteten 590 Verträge zustanden kamen, sollte der Ausbau aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Gesellschaft Wohnen in Nordkirchen (WIN) und BBV Münsterland Anfang 2016 beginnen [2].
Es wäre vom Hausübergabepunkt eine Glasfaser bis in die Wohnung verlegt worden. Daran wäre ein Glasfaser-Modem (Netzabschlussgerät) angeschlossen worden, an das dann der Router über die WAN-Buchse angeschlossen worden wäre.

Aus irgendeinem finanziellen Grund konnte die BBV den Ausbau dann doch nicht übernehmen
und so wurde verkündet, dass unitymedia den Ausbau übernähme [3].
Die Verträge mit der BBV waren nichtig und die Endkunden mussten die Verträge mit unitymedia neu abschließen.
Das Anschlusskonzept der unitymedia sieht etwas anders aus; dazu später mehr.
Mitte 2017 fing der Glasfaserausbau mit dem Verlegen der Lehrrohre dann tatsächlich sichtbar an.

Erwähnenswert ist, dass die Bewohner der Außenbereiche in Nordkirchen sowie in den umliegenden Gemeinden Vereine gründen und die Leerrohre in Eigenleistung verlegen. Das Einblasen der Glasfaser und der Anschluss der Teilnehmer erfolgt dann durch die Fa. Muenet.

„Wenn alle irgendwann, muss einer jetzt“

Auch aus der heutigen Sicht im September 2018 ist zumindest für einen Single-Haushalt eine 16 Mbit Leitung sicherlich ausreichend, selbst zum Streamen.
Bei Familien, wo mehrere Personen gleichzeitig Bild und Ton streamen wäre ich mir da nicht mehr so sicher. Fest steht, dass in naher Zukunft deutlich mehr Bandbreite benötigt wird, da erstens immer mehr Anwendungen über das Internet abgewickelt werden (z.B. der Wechsel von TV-SAT-Empfang zu Streaming-Diensten) und zweitens die Anwendungen immer mehr Bandbreite benötigen (z.B. immer höhere Auflösungen bei TV-Diensten).

Fast gleichzeitig mit dem Start der Verlegung der Glasfaser-Leerrohre durch unitymedia begann der etablierte Anbieter den Ausbau seiner Vectoring-Technologie in Nordkirchen, was dadurch sichtbar wurde, dass Outdoor-DSLAM (Digital Subscriber Line Access Multiplexer) mit Glasfaseranbindung zu den höheren Netzebenen aufgestellt wurden.
Der Teilnehmeranschluss erfolgt weiterhin über die Kupfer-Telefonleitung.
Häufig habe ich beobachtet, dass die neuen Multifunktionsgehäuse direkt neben den Kabelverzweigern aufgebaut oder über diese herübergestülpt werden.
Vectoring ist eine VDSL2-Technologie bei der das Übersprechen zwischen benachbarten Doppeladern der Teilnehmeranschlüsse in der Fernmeldeleitung (Kupfer) verringert werden soll.
Hierzu ist es jedoch notwendig, dass der DSLAM die Kontrolle über alle Doppeladern der Fernmeldeleitung hat, damit er eine Kompensierung durchführen kann.
Dem DSLAM muss zu jedem Zeitpunkt bekannt sein, welches Signal auf welcher Leitung anliegt.
Diese Technologie wird auch FTTC, fiber-to-the-curb, also Faser an den Bürgersteig, genannt.

Laut [4] will der bisherige Anbieter auf der Basis von Vectoring Bandbreiten von bis zu 100MBit/s im Download und 40 MBit/s im Upload anbieten.
Ohne Vectoring waren es 50 MBit/s im Download und 10 MBit/s im Upload.
Mit dem sogenannten „Supervectoring“ (Annex Q) bietet der alte Anbieter aktuell Anschlüsse mit 250Mbit/s Downloadrate und 40Mbit/s Uploadrate an. Ob und wann diese in Nordkirchen verfügbar sein werden, ist mir nicht bekannt (Stand September 2019).

Bei meinem bisherigen Anschluss handelte es sich um einen Anschluss mit 16 Mbit/s im Download und 2 Mbit/s im Upload.
Am Mittwoch, den 19.09.2018 wurde mir seitens des bisherigen Anbieters zwecks Kundenhaltung noch ein 50Mbit-Anschluss angeboten. Am Donnerstag, den 20.09.2018 waren die Techniker dabei, den Kabelverzweiger in meiner Einfahrt auf den neuen DSLAM umzuverdrahten.

Aus meiner Sicht ist die Vectoring-Technologie ohne Frage interessant und es ist beeindruckend, welche Bandbreiten über Kupfer-Doppeladern herauszuholen sind, die geschätzt seit bis zu 50 Jahren in den Straßen liegen.
Dennoch ist bekannt, dass der Übertragung auf Kupfer-Doppeladern irgendwann physikalische Grenzen gesetzt sein werden.
Bei unitymedia werden bereits jetzt über den neuen Anschluss 400 Mbit/s im Download angeboten, die ohne Frage für einen Privathaushalt für heutige Verhältnisse doch etwas übertrieben sind.

Unitmedia warb mit dem Slogan „Wenn alle irgendwann, muss einer jetzt“.
Getreu diesen Mottos, wegen des gleichen Preises und aus meinem technischen Interesse habe ich mich für den neuen Glasfaseranschluss entschieden, auch wenn mir aus eigener Erfahrung bekannt ist, dass der telefonische Kundenservice sowohl bei dem alten Anbieter, als auch bei dem neuen Anbieter eines der größten Abenteuer ist, die man in der heutigen Zeit noch erleben kann.

Der Vertrag

Gebucht wurde ein 2play JUMP 120 (bis zu 120Mbit/s im Download / bis zu 6 Mbit/s im Upload) zu 29,99 Euro je Monat für die ersten 24 Monate und zu 35,99 Euro ab dem 25. Monat (Mindestlaufzeit 24 Monate / Kündigungsfrist 2 Monate).
Zusätzlich die Telefon KOMFORT-Option (mehrere Rufnummern, Fritzbox 6490 Cable) zu 4,99 Euro im Monat.
Die Aktivierung des 2play JUMP 120 kostet einmalig 69,99 Euro; die Aktivierung der Telefon KOMFORT-Option kostet einmalig 29,99 Euro.
Nach meiner Erinnerung kostet der Hausanschluss 200 Euro. Da ich in einem Mehrfamilienhaus wohne, entfielen diese Kosten hier.

Die Glasfaser kommt ins Haus

Interessant zu beobachten war der Ausbau.
Zunächst wurden die Linien in den Straßen verlegt. Als die Löcher in der Straße wieder geschlossen wurden, hatte man schon Angst, man sei vergessen worden.
Dann wurden die Straßen wieder geöffnet und die Querstiche bis vor die Grundstückgrenzen verlegt. Anschließend kam ein weiterer Bautrupp, der die Hauseinführungen der Leerrohre installierte.
Nach weiterer Zeit wurde die Glasfaser eingeblasen, eine Art Spleißbox installiert und an die Glasfaser ein weiteres Stück Glasfaser mit einem „optischen Stecker“ (SC/APC – Subscriber connector / angled physical contact – mit abergerundetem Faserende und zusätzlich angewinkelter Endfläche zur Erhöhung der Rückflussdämpfung) angespleißt.

Der Techniker kommt

Bevor der Techniker kam, hatte ich in Absprache mit dem Vermieter die Kabeltrasse schon vorbereitet. Bohrungen durch Wände, Kabelkanäle und ein Zugdraht im Kamin waren vorbereitet und eine Steckdose installiert. Hierüber freute der Techniker sich und ich freute mich, dass die Installation vernünftig aussah.
Der Techniker installierte auf der Spleißbox (oAPL – optischer Anschlusspunkt Linientechnik) und an der Glasfaser einen WISI MICRO NODE LR 83 A [5]. Der Node hat eine F-Buchse. Von hier aus wird in klassischer Kabeltechnik mit Koaxialkabel in 75 Ohm-Technik weiter installiert.
Neben der Spleißbox wurde ein Lochblech mit dem Maßen 40cm x 30cm installiert. Darauf ist nur ein Kabelverteiler installiert und von dort geht eine Leitung bis in meine Wohnung.
Dort ist eine Anschlussdose installiert, an der die Fritzbox 6490 Cable angeschlossen ist.
Das Lochblech musste mit 4mm2 an der Haus-Erdungsschiene, die glücklicherweise in unmittelbarer Nähe war, geerdet werden.


Abbildung 1: Installation imKeller. V.l.: Wandeinführung Glasfaser, Steckdose, Micro node auf weißer Spleißbox, Lochblech. Bevor das Lochblech hing und die Erdungsleitungen freiluftverdrahtet wurden, sah es noch adrett aus.


Abbildung 2: WISI MICRO NODE


Abbildung 3: Anschlussdose in der Wohnung

Jetzt wird es interessant

Diese Art der Installation würde ich als FTTB, also fiber-to-the-building einordnen, da die Glasfaser bis ins Haus geht und ab dort alle angeschlossenen Parteien über Koaxialkabel angeschlossen sind.
Meine besondere Aufmerksamkeit erhielt der MICRO NODE (engl. node, dt. Knoten, Sternpunkt), um die Technik bzw. Übertragungsart einordnen zu können. Bereits der Techniker versicherte mir, dass es sich um eine reine Umsetzerkomponente handele, also kein Gerät sei, dass in irgendeiner Form z.B. vom Netzbetreiber über IP adressierbar wäre.
Die WISI Produktinformation [6] beschreibt die Funktion wie folgt:
„Der LR 83 A ist ein extrem rauscharmer optischer Empfanger. Dieser wandelt optische Signale in elektrische um oder im Ruckkanal wandelt er elektrische Signale in optische Signale.“
In der Bedienungsanleitung wird er auch als „Optischer Node RFoG“ beschrieben.
RFoG steht für „radio frequency over glass“ und Beschreibt in einem Schlagwort ziemlich gut die Funktionsweise. Das gesamte Spektrum, das ansonsten im Kabelnetz übertragen würde, wird also über die Glasfaser angeliefert und auf Koaxialkabel umgesetzt. Hiermit ist es möglich neben dem Spektrum für den Internetanschluss auch das Spektrum für Radio und TV zu übertragen.

Der Downstream und der Upstream nutzen unterschiedliche Wellenlängen des Lichtes (Farben),
um die gleiche Faser zu nutzen.
Downstream: 1540-1563 nm
Upstream: 1310 nm

Auch die anderen technischen Daten sind interessant:

Downstream:
Optische Eingangsleistung:       +3…-6 dBm = 2mW…0,25mW
Frequenzbereich:                         85-1006 MHz
Ausgangspegel (Koaxial):          80-96 dBµV

Upstream:
Optische Ausgangsleistung:      3dBm = 2mW
Frequenzbereich:                         5-65 MHz
Eingangspegel (Koaxial):           70-100dBµV

Schauen wir mal, was auf der Leitung so drauf liegen könnte

Vgl. auch [6], Seite 4

5…65 MHz                                                       Rundfunkband I – EuroDOCSIS Upstream (Internet)
65…108 MHz                                                   Rundfunkband II – UKW-Radio
114…170 MHz                                                Rundfunkband II – Unterer Sonderkanalbereich (Midband) Kanal D114…D170
178…226 MHz                                                Rundfunkband III – Kanal D178…D226
234…298 MHz                                                Rundfunkband III – Oberer Sonderkanalbereich (Superband) Kanal D234…D298
306…466 MHz                                                Rundfunkband III – Erweiterter Sonderkanalbereich (Hyperband)
474…602 MHz                                                Rundfunkband IV
610…858 MHz                                                Rundfunkband V

450…862 MHz                                                EuroDOCSIS Downstream (Internet)

Schauen wir mal, was auf der Leitung so drauf liegt

Hilfreich ist hierfür das Gerät „Megasat HD 3 Combo V2“, das im DVB-T bzw. DVB-C Bereich den Frequenzbereich von 44 MHz bis 862 MHz darstellen kann. Kein hochpräzises Gerät, aber als Schätzeisen sicherlich zu gebrauchen.
Die Messungen erfolgten an der TV-Buchse der Anschlussdose.


Abbildung 4: Im Upstreambereich, den das Gerät erst ab 44 MHz darstellen kann, ist ein Spektrum bis 45 MHz erkennbar. Hier sendet die Fritzbox, die an der DATA-Buchse der Anschlussdose hängt.


Abbildung 5: Kabelinformation der Fritzbox


Abbildung 6: Belegte Kanäle der Fritzbox

Theoretisch müsste bis 58,4 MHz belegtes Spektrum zu beobachten sein.
Möglicherweise waren diese Kanäle zum Zeitpunkt der Messung nicht belegt.


Abbildung 7: Im UKW-Bereich ist belegtes Spektrum zu erkennen.
Das Signal ist stärker als darstellbar.


Abbildung 8: Im UKW-Bereich ist belegtes Spektrum zu erkennen


Abbildung 9: Der Kabelfernsehbereich ist auch belegt. Hier bleibt das Signal unter 60 dBµV.


Abbildung 10: Der Kabelfernsehbereich ist auch belegt


Abbildung 11: Der Kabelfernsehbereich ist auch belegt


Abbildung 12: Der Kabelfernsehbereich ist auch belegt


Abbildung 13: Der Bereich zwischen 450 und 862 MHz, der für den Downstream benötigt wird, ist auch teilweise belegt. Gemäß Abbildung 6 empfängt die Fritzbox zwischen 546 MHz und 770 MHz. Das Signal ist wieder stärker als darstellbar.


Abbildung 14: Auch an der DATA-Buchse ist nicht mehr Dämpfung vorhanden, als an der TV-Buchse.

Quellen und Links:

[1]        BBV Münsterland
https://bbv-deutschland.de/muensterland/

[2]        Ruhrnachrichten 04.09.2018 – Nordkirchen erhält jetzt doch ein Glasfaser-Netz
https://www.ruhrnachrichten.de/Nachrichten/Nordkirchen/Nordkirchen-erhaelt-jetzt-doch-ein-Glasfaser-Netz-55530.html

[3]        Ruhrnachrichten 21.12.2016 – Nordkirchen erhält jetzt doch ein Glasfaser-Netz
https://www.ruhrnachrichten.de/Nachrichten/Herbern/Unitymedia-uebernimmt-Glasfaserausbau-62164.html

[4]        Wikipedia – VDSL2-Vectoring
https://de.wikipedia.org/wiki/VDSL2-Vectoring

[5]        WISI Produktinformation LR 83 A
https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahUKEwig_5HXudbdAhULDSwKHceaCx4QFjAAegQICBAC&url=https%3A%2F%2Fkatalog.wisi.de%2FDownload%2Fdownload.php%3Ff%3DProduktinfo_WISI-LR-83-A_de.pdf&usg=AOvVaw1g4Hx6YrCnqwWPR2mzpfCx

[6]        DELTA ELECTRONICS – RFoG-Netze „Anwendungen und deren Weiterentwicklung“
https://cabletech.at/tl_files/vortraege/2015/CableTech_2015-Delta.pdf

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